Heinrich Hansjakob starb vor 100 Jahren
Eine vielschichtige und komplizierte Persönlichkeit
Haslach. Der Wind der Geschichte weht mal schwächer oder stärker in der Ortenau. In unserer
Serie beschäftigen wir uns mit Ereignissen und Personen, die sich in das
Gedächtnis eingegraben haben. Eine solche ist Heinrich Hansjakob,
dessen Todestag sich am 23. Juni zum 100. Mal jährt.
Einen vergleichbaren Leichenzug hatte das Kinzigtal noch nie gesehen. Vier
Kilometer lang war die Schlange der Trauergäste, die von Heinrich
Hansjakob Abschied nahmen. Darunter befanden sich alte Haslacher, die
den Bäckerssohn schon als Kind kannten, begeisterte Leser seiner Bücher,
geistliche Kollegen und Persönlichkeiten wie der Präsident des
badischen Landtags. Als Heinrich Hansjakob am 23. Juni 1916 in seinem
Altersruhesitz Freihof in Haslach für immer die Augen schloss, starb
nicht nur ein Schriftsteller, der Geschichten schrieb, sondern auch ein
Mann, der Geschichte schrieb. So hat er beispielsweise in Hagenau am
Bodensee die erste Winzergenossenschaft in Baden gegründet und damit
auch dem Weinbau am Bodensee das Überleben gesichert.
Heute würde man sagen, Hansjakob war hervorragend vernetzt. Seine Freunde waren
bekannte Künstler, einflussreiche Banker, namhafte Architekten und
andere wichtige Persönlichkeiten. Obwohl er Zeit seines Lebens gerne
damit kokettierte, nur ein armer Bäckerssohn zu sein, war er in seinem
späteren Leben ein sehr reicher Mann, so Martin Schwendemann,
Geschäftsführer des Handels und Gewerbevereins Haslach sowie Amtsleiter
Kultur und Marketing. Er war allerdings auch außerordentlich fleißig und
veröffentlichte 74 Bücher. Im Museum Freihof sind Predigtwerke,
Tagebücher, Erzählungen, Romane, politische Schriften und
wissenschaftliche Werke ausgestellt. In den Erzählungen ließ er seine
vor allem bürgerliche Fangemeinde in die Welt der kleinen Leute wie
Latrinenleerer oder Knechte eintauchen. Seine Bücher gab es sogar in
Prachtausgaben mit wunderschönen Illustrationen, doch keineswegs
ausschließlich. „Ich will nicht nur dieses teure Zeugs“, zitiert
Schwendemann Hansjakob, der über den Reclam-Verlag Leipzig Bücher
ebenfalls als Pfennig-Literatur, die sich wirklich jeder leisten konnte,
vertreiben ließ.
Hansjakob war zudem ein ausgezeichneter Theologe und Pfarrer. 1884 bekam er die damals wichtigste Pfarrei in
Freiburg. „Die Menschen standen bis draußen vor der Kirchentür, um ihn
predigen zu hören“, berichtet der Kulturamtsleiter. Seine Predigten
wurden sogar gedruckt. Zudem war er ein wortgewaltiger Politiker und von
1871 bis 1881 Abgeordneter der Katholischen Volkspartei im badischen
Landtag. „Hansjakob hat die Ultramontanistendebatte sehr befeuert“, so
Schwendemann. Die Ultramontanisten stellten die Anweisungen des Papstes
damals über die modernen nationalen Strömungen. Auch der gebürtige
Haslacher schlug sich im Spannungsfeld zwischen dem liberalen
Staatsdenken und den tradierten Werten auf die Seite der katholischen
Kirche.
Der Beruf Pfarrer war womöglich nicht Hansjakobs erste Wahl. Dafür spricht, dass er nicht nur Theologe, sondern ebenfalls
studierter Pädagoge war. Ein Bäckerbub hatte damals wenig Möglichkeiten,
wenn er studieren wollte. Allerdings legte sich der Haslacher in jungen
Jahren als Lehrer mit der Obrigkeit an, was seiner Karriere alles
andere als förderlich war und er sie schließlich beendete.
Für einen Pfarrer war Hansjakob dann auch sehr empfänglich für weltliche
Freuden. „Drei Kinder sind nachgewiesen, eins am Bodensee und zwei in
Haslach“, verrät der Kulturamtsleiter. In dem Jahr, als sein erster Sohn
geboren wurde, suchte Hansjakob einen Nervenarzt auf. „Psychisch gut
ging es ihm nie“, sagt Schwendemann. Der Pfarrer litt, wie er es selbst
nannte, an „Nervenschwäche“ und wurde zeitweise in der Heilanstalt
Illenau in Achern behandelt. Gegen seine Schlaflosigkeit nahm er
Morphium, was damals ein übliches Medikament war.
„Hansjakob war eine vielschichtige und komplizierte Persönlichkeit“, sagt Schwendemann.
Wer tiefer in seine Welt eintauchen möchte, kann das im Museum Freihof
tun. Anlässlich des 100. Todestages ist am Samstag und Sonntag, 25. und
26. Juni, von 13 bis 17 Uhr der Eintritt frei und es gibt Programm.
Autor: Anne-Marie Glaser
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