Jürgen Zöller vor dem vierten Konzert „Rock uff‘m Hof“
„Mit Schießbude nach England, ohne zurück“
Gengenbach-Reichenbach. Seit neun Jahren machen Jürgen Zöller und seine Familie Urlaub bei Familie
Sester auf dem Schwärzenbachhof im Gengenbacher Ortsteil Reichenbach.
„Es war eine Schnapsidee im wahrsten Sinne des Wortes“, erzählt Zöller
lachend auf die Frage, wie die Idee entstand, dort im hintersten
Reichenbachtal alle zwei Jahre ein Open-Air zu veranstalten. Die
Stimmung am Lagerfeuer sei entsprechend gewesen und die Idee, „hier mal
was zu machen“, befeuert worden. Jürgen Zöller entscheidet in der
Open-Air-Pause, ob im Folgejahr wieder ein Konzert stattfindet. Denn:
„Man weiß nie, was sein wird.“ Jürgen Zöller feiert nächstes Jahr seinen
70. Geburtstag. Der Termin am 3. September jedenfalls steht.
Das Lied „Lovemachine“ aus dem Jahr 1978 von der Band Supermax ist für
viele unvergessen. „Der Song hat sicher Standards gesetzt“, ordnet er
die Latin-Disco-Mischung ein. Als Schlagzeuger gehörte Zöller zu der
ersten Besetzung und tourte mit der Band von 1977 bis 1981 durch die
Welt. Vorher steht bereits Wolfgang Ambros in seiner Biografie. Es
folgen Namen wie Wolf Maahn, Rainhard Fendrich oder Rodgau Monotones.
1987 begann für Zöller seine Zeit mit Wolfgang Niedecken und BAP. „In 28
Jahre BAP habe ich alles erlebt“, resümiert Zöller. Grandiose Erfolge,
ausverkaufte Hallen und Stadien mit einer enormen Resonanz. Zöller ist
bei BAP ausgestiegen. Nach Niedecken gehörte er der Kölsch-Rock-Band am
längsten an. „Die neue Richtung ist nicht mein Ding“, begründet der
Schlagzeuger seine Entscheidung. „Die Flamme muss brennen, das ist eine
körperliche und seelische Notwendigkeit“, wendet sich Zöller eigenen
Projekten zu. „Flucht nach Vorn“ heißt das Album von Zöller &
Konsorten, das Mitte September erscheint. Befreundet sei er mit
Niedecken weiterhin, der auch auf seinem neuen Album mitgewirkt hat,
betont Zöller.
Die heutige Musik sei vielfach Junkfood für die Ohren. Er schwärmt für „handgemachte Oldschool-Rockmusik“. Wie für viele
Musiker seiner Generation waren die Beatles der Auslöser für ihn und
gaben die musikalische Richtung vor. Anfangs probierte Zöller es mit der
Gitarre. „Aber da taten hinterher die Fingerspitzen immer so weh“,
erinnert sich Zöller. Er setzte sich ans Schlagzeug und wusste: „Das ist
es.“ Seine erste semi-professionelle Band war „The King-Beats“. Es
folgten Auftritte in vielen Clubs und Stadthallen. Brüche gab es genug
in seinem Leben. „Ich habe aber immer alles wieder gerade gebogen“,
erzählt Zöller von seinem Ausflug nach England nach dem Ende seiner
Band.
„Mit der Schießbude (Anm. d. Red.: Schlagzeug) nach England“ singen Zöller & Konsorten auf dem neuen autobiografischen
Album. England sollte sein „großer Wurf“ werden. Weil er noch nicht
volljährig war – damals mit 21 Jahren – ließen ihn seine Eltern suchen.
Er musste zurück und hatte inzwischen seine Schießbude für den
Lebensunterhalt verkauft. „Wir gehen nicht rückwärts, wir nehmen nur
Anlauf“, gehört seither zu seinem Motto. „Ich sehe es als Geschenk, dass
ich heute noch spielen kann“, so der 69-Jährige. Seinen Kindern
empfiehlt er jedenfalls keine Musikkarriere.
Auf dem Schwärzenbachhof fühlt sich Zöller zu Hause. Von seinem Wohnort
Karlsruhe ist es zwar nur eine gute Stunde Fahrzeit, aber „hier wird man
sofort entschleunigt“, erzählt Zöller am Küchentisch bei Familie Sester
sitzend. „Will man mobil telefonieren, muss man zu den
Hängebauchschweinen gehen, dort gibt es ein Netz“, hat Zöller die
Feinheiten der Abgeschiedenheit seines zweiten Domizils herausgefunden.
Die Kinder, heute neun und elf Jahre, gehen mit Josef Sester Unimog
fahren, Holz machen und anderen landwirtschaftlichen Tätigkeiten nach.
Wenn Zöller sagt, „hier ist alles liebevoll und gut organisert“, meint
er nicht nur die Ferien auf dem Bauernhof, sondern auch das
Open-Air-Konzert im September – übrigens mit der Ortenauer Band
Mainstreet als Vorgruppe.
Die Scheune wird zur Bühne, ein Liegeplatz der Ziegen zum Standort für das Mischpult. Die ansteigende
Wiese wird mit Heuballen zu einer amphitheaterähnlichen Kulisse
ausgebaut. „Alle Nachbarn bereiten das Event mit vor, das ist
phantastisch“, beschreibt Zöller die familiäre Atmosphäre, schnappt sich
eine Zigarette und schreitet über den „Konzertplatz“.
Autor: Rembert Graf Kerssenbrock
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.