Denkmalstiftung fördert Kinzigtowererhalt
36.500 Euro für Sanierung
Stuttgart/Gengenbach (st) Als der Fabrikant Albrecht Köhler im Jahr 1900 den Auftrag für den Bau eines Elektrizitätswerkes gab, änderte das nicht nur für seine Pappenfabrik vieles. Auch die Gemeinde Gengenbach kam dadurch erstmals in den Ge‐ nuss einer Stromversorgung. Den Erhalt und die Instandsetzung der vom Offenburger Architekten Friedrich Wilhelm Abel entworfenen Turbinenstation unterstützt die Denkmalstiftung Baden‐Württemberg mit 36.500 Euro, heißt es in einer Pressemitteilung.
Bis zur Versorgung mit Elektrizität konnte Albrecht Köhler seine Zeug- und Strohpappen nur manuell und in den Sommermonaten produzieren. Die Wasserkraftanlage am Zusammenfluss des Gengenbacher Mühlbachs und des Reichenbachs ermöglichte, dass die Pappe von nun an mit modernen Maschinen hergestellt und auch in den Wintermonaten getrocknet werden konnte. Das war auch für die Gemeinde Gengenbach ein Glücksfall. Denn Köhler verkaufte ihr seinen überschüssigen Strom. Das Kohlenbergwerk Steinhaupten, mit dem die Gemeinde wenige Jahre zuvor einen langfristigen Liefervertrag abgeschlossen hatte, ging nämlich Pleite, bevor auch nur eine Kilowattstunde Strom geflossen wäre.
In der Turbinenstation in Gengenbach‐Reichenbach befindet sich heute noch der bauzeitliche 100‐Kilowatt‐ Gleichstromdynamo der Nürnberger Firma Schuckert. Es handelt sich um eines der ersten Strom produzierenden Wasser‐ kraftwerke des Großherzogtums Baden und ist eine der letzten in Baden‐Württemberg erhaltenen Anlagen dieser Art. Die Turbinenstation ist jedoch nicht nur wegen ihrer technikgeschichtlichen Bedeutung ein Kulturdenkmal. „Das zweige‐ schossige Gebäude, das der Architekt Friedrich Wilhelm Abel entworfen hat, ist auch baugeschichtlich ein interessantes Zeugnis“, sagt der ehrenamtliche Geschäftsführer der Denkmalstiftung Baden‐Württemberg, Dr. Stefan Köhler. „Es greift Traditionen der Rheinebene und des Kinzigtals auf, verweist aber auch klar auf seine moderne technische Nutzung.“ Das Elektrizitätswerk ist damit Zeugnis des sogenannten Heimatstils, der zum Ende des 19. Jahrhunderts populär war und ländliche und regionale Architekturformen historisierend aufgreift.
Neben den technischen Anlagen im Erdgeschoss umfasst das Gebäude im Obergeschoss repräsentative Räume des Fabrikanten mit ausgesetztem Erker, Balkon und Loggias zur großen Veranda. Sie sind großbürgerlich ausgestattet mit Holzparkett, Stuckdecke, Zierbordüren und Kachelofen. Zusätzlich gibt es ein aufgesetztes Dachgeschoss in Fachwerk‐ bauweise, das bis in die 1970er‐Jahre als Partyraum der damaligen Eigentümerfamilie genutzt wurde. Zudem hatte der Treppenturm bis zu einem Beschuss im Zweiten Weltkrieg eine aufgesetzte Turmspitze samt Wetterfahne.
Der jetzige sehr engagierte und beharrliche Eigentümer erwarb Grundstück und Gebäude von den Nachfahren des Fir‐ mengründers mit dem Ziel, das Ensemble mit traditionalistischer Architektur und bauzeitlich modernster Technik dauer‐ haft zu erhalten. „Das entspricht genau unserem Motto ‚ Bürger retten Denkmale‘“, so Dr. Stefan Köhler. Zu dem mit der Denkmalpflege abgestimmten Konzept gehören die Reparatur der Holzkonstruktion sowie der verschindelten Fassaden und restaurierende Arbeiten an den Farbfassungen. Die technischen Anlagen sollen in einer Art Zeitkapsel gesichert und für die Nachwelt erhalten werden. Die Wohnräume werden unter Erhalt der bauzeitlichen Oberflächen restauriert und noch vorhandene historische Fenster instandgesetzt.
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