"Meiner Mutter ihre Würde lassen"/Ein Interview

Filmemacher David Sieveking im KiK – Kultur in der Kaserne | Foto: David Sieveking
  • Filmemacher David Sieveking im KiK – Kultur in der Kaserne
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Am Mittwoch, 9. Februar, 18.30 Uhr, stellt Filmemacher David Sieveking im KiK – Kultur in der Kaserne – seinen Dokumentarfilm „Vergiss Mein Nicht“ vor. Darin schildert er die Demenzerkrankung seiner Mutter. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Anmeldung erwünscht in der Abteilung Bürgerschaftliches Engagement unter Telefon 07 81/82-22 22. Ein Interview mit dem Filmemacher.

Herr Sieveking, wie ist es Ihnen gelungen, ein so trauriges Thema als heiteren Liebesfilm zu drehen?

David Sieveking: Am Anfang stand gar nicht die Idee, einen Film zu machen. Mir wurde damals klar, dass mein Vater allein mit der Pflege meiner Mutter überfordert ist und Hilfe braucht. Und ich war von drei Geschwistern als einziger noch kinderlos und ungebunden. Ich zog also wieder zu Hause in mein Kinderzimmer ein und versuchte dann, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Meine Arbeit als autobiografischer Dokumentarfilmer mit der Betreuung und Pflege meiner Mutter zu verbinden – unter der Bedingung, dass ihr die Dreharbeiten gut tun. Und tatsächlich machte ihr das Filmen einen Riesenspaß und riss sie aus ihrer Lethargie.

Die harte Realität des pflegerischen Alltags wird in Ihrem Film nur diskret angedeutet. Kommt das nicht etwas zu kurz?

Sieveking: Ich bin ja auch Sohn im Film und es war mir sehr wichtig, meiner Mutter ihre Würde zu lassen. Als Filmemacher muss man sich auch auf bestimmte Aspekte konzentrieren und ich sah es nicht als meine Stärke auf die Herausforderungen der Altenpflege hinzuweisen. Ich hatte die glückliche Chance, trotz Alzheimer keinen todtraurigen Krankheitsfilm zu drehen, sondern auch die heiteren und schönen Seiten einer solch existenziellen Erfahrung zu zeigen. Natürlich gab es auch sehr belastende Phasen. Deshalb habe ich auch ein gleichnamiges Buch geschrieben, das den Film inhaltlich ergänzt.

Was waren denn Ihre Erfahrungen mit der Krankheit im gesellschaftlichen Umfeld?

Sieveking: Demenz ist wohl immer noch ein großes Tabu, obwohl ich denke, dass sich in den letzten zehn Jahren einiges zum Positiven geändert hat. Damals war unsere bittere Erfahrung, dass sich Freunde und Verwandte angesichts der Demenz meiner Mutter zurückzogen. Überhaupt fiel mir auf, dass Menschen mit Demenz eher weggeschlossen werden, man trifft sie praktisch nicht auf der Straße. Symptomatisch war auch, dass die Tagespflege meiner Mutter im Industriegebiet am Stadtrand genau gegenüber einer Zementfabrik untergebracht war. Solche Einrichtungen sollte man doch neben einem Kindergarten, einem Tierpark oder direkt am Marktplatz ansiedeln! Meine Mutter hatte immer größte Freude an der Begegnung mit Kindern, Tieren oder fremden Menschen – die stellten keine komplizierten Fragen.

Was hat Sie dazu bewogen, nach Offenburg zum Film/Gespräch zu kommen?

Sieveking: Na, ich bin eingeladen worden – und ich freue mich ganz besonders auf den Abend, denn es ist ja eine schöne Aufgabe, die Erfahrungen meiner Familie mit einem Publikum zu teilen. Ich bin sehr dankbar, dass ich auf diesem Wege auch dazu beitrage, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Denn meine Mutter hatte immer große Sorge, ihr Jüngster würde sich in der unsicheren Filmbranche nicht über Wasser halten können. Sie hatte sich gewünscht, ich würde noch was anständiges wie Jura oder Medizin studieren. Nun ist es eine wunderbare Ironie des Schicksals, dass mir meine Mutter genau mit diesem Film hilft, beruflich weiterzukommen

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