IHK-Neujahrsempfang
IHK-Präsident fordert tiefgreifende Reformen

Dr. Florian Kech, IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Salomon und IHK-Präsident Eberhard Liebherr (v.l.) auf dem Neujahrsempfang der IHK Südlicher Oberrhein. | Foto: Michael Bode/ IHK Südlicher Oberrhein
  • Dr. Florian Kech, IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Salomon und IHK-Präsident Eberhard Liebherr (v.l.) auf dem Neujahrsempfang der IHK Südlicher Oberrhein.
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Freiburg (st) Unter dem Motto: „Ein Hoffnungsprogramm für die Wirtschaft“ hat die  IHK Südlicher Oberrhein zu ihrem traditionellen Neujahrsempfang eingeladen. IHK-Präsident Eberhard Liebherr und Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Salomon beschrieben vor mehr als 1.500 Gästen die schwierige Lage für die heimischen Unternehmen. Jetzt sei es wichtig, die Krise auch als solche zu begreifen und die Wirtschaft deutlich zu entlasten. 
„Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Schwarzmaler bin, begrüßte Eberhard Liebherr die Gäste im Freiburger Konzerthaus. Doch die großen Herausforderungen, vor denen die Wirtschaft in Deutschland derzeit steht, konnten und sollten an diesem Abend auch nicht verschwiegen werden. „Wir wissen, welche großen Aufgaben auf die kommende Regierung zukommen werden, und das sind leider hausgemachte Strukturprobleme. Wir haben eine Industriekrise in Deutschland in einer Zeit, in der der Innovationsdruck noch nie so hoch war“, so Liebherr.

Mängelliste ist lang

Jetzt komme es auf das richtige Bewusstsein an. „Ohne Optimismus kommt man aus keiner Krise heraus, man muss die Krise aber trotzdem als Krise anerkennen“, sagte Salomon. Die Mängelliste sei lang: „Seit zehn Jahren steigen die Lohn-Stück-Kosten in Deutschland. Die Industrieproduktion sinkt. Die Energiekosten sind international viel zu hoch, die Unternehmenssteuern weltweit an der Spitze. Die Bürokratie und Regulatorik sind überbordend, deutsche Unternehmen investieren – wenn überhaupt – im Ausland, ausländische Unternehmen kaum noch in Deutschland. Mit anderen Worten: Houston, wir haben ein Problem.“ Zentral sei es, den vier großen Ds mit voller Kraft entgegenzutreten beziehungsweise sie anzugehen: Deglobalisierung, Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demographie.
Der Moderator des Abends, Dr. Florian Kech (IHK), stellte die Behauptung des Freiburger Wirtschaftsprofessors Lars Feld in den Raum, dass die derzeitige wirtschaftliche Lage schlimmer sei als die Stimmung. „Ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen?“ Salomon: „Inzwischen passt sich die Stimmung der Lage an, und erst wenn die Stimmung so schlecht ist wie Lage, sind Reformen überhaupt denkbar.“

Verschlechterung der Stimmung

Der Weg zu Reformen dürfte also immer wahrscheinlicher werden, denn auch die Konjunkturumfrage der IHK vom vergangenen Herbst zeigt eine deutliche Verschlechterung der Stimmung in den Unternehmen auf. Die Unzufriedenheit der Betriebe am südlichen Oberrhein mit der Politik hat einen Höchstwert erreicht. 42 Prozent aller Befragten bestätigen, dass sie in der Wirtschaftspolitik ein Risiko für das eigene Unternehmen sehen. Im Frühsommer 2023 lag der Wert noch bei 17 Prozent. Die Forderungen der Wirtschaft an die Politik sind also klar. Liebherr: „Die Unternehmen müssen entlastet werden, damit sie sich auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können. Wir brauchen kein Klein-Klein, sondern tiefgreifende Reformen.“

Tiefgreifende Reformen notwendig

Das gelte vor allem beim Thema Entbürokratisierung. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo gehen 22 Prozent der Arbeitszeit in den Unternehmen für die Erfüllung bürokratischer Lasten drauf. „Ich halte diese Zahl tatsächlich für realistisch“, berichtete Liebherr aus seinem Unternehmeralltag. Den Titel des Bürokratieweltmeisters findet der IHK-Präsident wenig schmeichelhaft. „Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen.“
Salomon, der als ehrenamtlich tätiger Vorsitzender des Normenkontrollrats von Baden-Württemberg gegen die überbordende Bürokratie im Land ankämpft, sendete die Botschaft aus, dass der Staat beziehungsweise der Gesetzgeber erst einmal seine Haltung gegenüber den Menschen ändern müsse. „Es braucht ein grundsätzliches Vertrauen gegenüber den Bürgern und der Wirtschaft, anstatt Regulierung und Kontrollwut. Wir sind zu langsam, wir sind zu kompliziert, mir müssen viele Dinge einfacher und manche auch gar nicht mehr machen. Die Zeit dafür ist reif. Das wäre ein Hoffnungsprogramm für die Wirtschaft.“

Mehr Vertrauen - weniger Kontrollwut

Die IHK hatte sich angesichts des demografischen Wandels und der Diskussion über die bürokratischen Lasten bei der Fachkräfteeinwanderung an diesem Abend auch das Thema „Generation Zukunft“ vorgenommen. Wie tickt die Generation Z, die aktuell auf den Arbeitsmarkt drängt oder schon die erste Karrierestation hinter sich hat und nun in die Fußstapfen der aus dem Arbeitsleben ausscheidenden Babyboomer treten soll? Jeder und jede Personalverantwortliche oder Führungskraft hat dabei sicher ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Auch Eberhard Liebherr, der der jungen Generation eine veränderte Einstellung in der Arbeitswelt attestiert, zugleich aber auch auf die riesigen Potenziale hinweist. „Vor ein paar Wochen haben wir eine sehr große Zahl an Absolventinnen und Absolventen als Landes- und Bundesbeste ausgezeichnet.“ Auch die Verleihung der IHK-Förderpreise im November belegt, welch starke und engagierte Persönlichkeiten die Generation Z hervorbringt. Liebherr: „Unsere ganze Aufmerksamkeit muss daher den jungen Menschen gehören.“

Riesige Potentiale beim Nachwuchs 

Diese Botschaft brachte auch Simon Schnetzer mit nach Freiburg. Schnetzer ist einer der gefragtesten Jugendforscher im deutschsprachigen Raum und Autor der „Trendstudie Jugend in Deutschland“. Für ihn ist klar: Das Wertegerüst der jungen Menschen hat sich im Vergleich zu älteren nur wenig verschoben. Auf Platz eins stehe bei allen die Familie gefolgt von Gesundheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit. Doch was unterscheidet die jungen Menschen von den Generationen davor? Beispielsweise beim Thema Kommunikation? „Junge Menschen sind es gewohnt, in einem schnellen Rhythmus zu kommunizieren. Die Erwartungshaltung des ‚Instant Feedback‘ begegnet Ihnen nicht nur im Bereich von Social Media, sondern auch, wenn Sie als Unternehmen eine Bewerbung erhalten. Wenn eine Reaktion zwei, drei oder vier Wochen später erfolgt, ist der Zug längst abgefahren. Das gleiche gilt, wenn Sie einem jungen Menschen eine Aufgabe stellen. Hat er oder sie die Aufgabe erledigt, geht es ihm oder ihr nicht darum, die nächste Aufgabe zu erhalten, sondern erst einmal ein Feedback, idealerweise konstruktiv.“ Es reiche nicht, „dass ein junger Mensch sich einmal für Sie entscheidet“, sagte Schnetzer den anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmern, „nein, er muss das wieder und wieder tun, tagtäglich.“

Junge Menschen wollen schnelles Feedback

Noch anschaulicher formulierten es sechs Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z, die zusammen mit Simon Schnetzer auf die Bühne gekommen waren. Der Auszubildende Lennart Menze beispielsweise schätzt es, in seinem Unternehmen als vollwertiges Teammitglied verstanden zu werden und Verantwortung übertragen zu bekommen. „Wir begegnen uns auf Augenhöhe, ich kann dort so sein, wie ich bin und muss keine Angst haben, einen Fehler zu machen.“ Bei Alina Vivien Schmidt ist es ähnlich. Ihr sei es wichtig, ihre Individualität zu entfalten. Gleichzeitig empfinde sie aber auch das Gefühl, allein gelassen zu werden, als „sehr unangenehm. Es ist wichtig mitgenommen und nicht stehengelassen zu werden.“

Superkraft liegt im Miteinander

Wie bedeutend die Integration der Generation Z – der zwischen 1995 und 2009 Geborenen – in die Arbeitswelt sei, zeige die einfache demografische Formel: „19,5 Millionen Menschen in Deutschland werden in den kommenden zwölf Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden, aber nur 12,5 Millionen werden eintreten. Was wir derzeit als Fachkräftemangel begreifen, ist erst der Anfang.“ Schnetzer machte den Gästen des Neujahresempfangs Mut, sich dieser Herausforderung zu stellen. „Die wahre Superkraft liegt im Miteinander. Wenn die Herausforderungen größer werden, sollte man nicht darüber schimpfen: ‚Die Jungen sind die Fehler in unserem System‘. Nein: Die Jungen sind unsere Zukunft.“

Die IHK Südlicher Oberrhein hat mehr als als 70.000 Mitglieder vom Kleinunternehmer bis zum Weltmarktführer. Sie vertritt die Interessen der Wirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung. Wir beraten sowohl Startups als auch etablierte Unternehmen, Fachkräfte und solche, die es werden wollen, organisieren Prüfungen und trommeln bei Kommunen und Verwaltungen für optimale Standortbedingungen. Für den Staat übernehmen wir ausgewählte Aufgaben, informieren über neue Zoll-Richtlinien, Wachstumschancen auf ausländischen Märkten oder organisieren zahlreiche Netzwerktreffen und Veranstaltungen.

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