Mesut Aydogdu: vom Reaktorschweißer zum Drehbuchautor
Er ist Schweißermeister, Dolmetscher, Drehbuch-Schreiber, Schauspieler und Filmer. Mesut Aydogdus jüngste Leidenschaft ist die Malerei. „Salem aleikum“, schallt es respektvoll
durch das türkische Restaurant Efem in Offenburg. „Aleikum salam“,
antwortet Aydogdu freundlich. Stolz erklärt er seine Bildwerke. Sie
hängen über Putzarbeiten, auf denen man noch die Masken der Offenburger
Hexen erkennen kann, aus einer Zeit stammend, als das Restaurant „Zunftstube“ hieß.
Ein Wanderer zwischen den Welten ist Mesut Aydogdu. In Sorgun, das 250 Kilometer von Ankara liegt, wurde er 1948 geboren. Uhrmacher habe er dort in den Ferien gelernt und natürlich auf
dem Feld gearbeitet. 1968 musste er für zwei Jahre zum Militärdienst in
die Ägais. „Ich hätte gern studiert“, sagt der 65-jährige Deutschtürke.
Aber dies sei nicht möglich gewesen damals. Als einer der ersten
türkischen Arbeiter ging Aydogdu 1971 nach Straßburg.
Im Dezember 1972 wagte er dann den Sprung über den Rhein nach Oppenau, wo
er bei Doll Fahrzeugbau seine Fähigkeiten als Schweißer unter Beweis
stellte. Seine praktischen Fähigkeiten verfeinerte er von Jahr zu Jahr.
1975 arbeitete er als Uhrmacher bei Seiko. Seine Arbeit als
Schweißfachmann führten ihn dann nach Marokko, Venezuela und Abu Dhabi,
um nur einige Stationen zu nennen.
Höhepunkt und Ausfluss seines Könnens war seine Mitarbeit beim Bau der deutschen Atomreaktoren – beispielsweise in Philippsburg und Neckarwestheim. „Für die Sicherheit
der Kernkraftwerke sind die Schweißnähte enorm wichtig. Das ist
Präzisionsschweißen.“ Seine Frau Nervin lernte Mesut Aydogdu auf einer
großen türkischen Hochzeit in den 70-er Jahren kennen. Ihre Eltern
lebten in Neuried und die Türken der Region trafen sich bei diesem Fest.
1980 folgte die Heirat in der türkischen Heimat.
„Endstation Offenburg“ sollte der Film heißen, den er als Drehbuch-Autor,
Schauspieler und Zweit-Regisseur unter dem Originaltitel „K?rm?z? Fistan
Mor Kadife“ 1988 in Offenburg drehte. An seiner Seite spielte die
bekannte türkische Sängerin und Schauspielerin Fulden Uras. „Die Filme
über Türken in Deutschland haben zu dieser Zeit ein verfälschtes Bild
gezeichnet.“ Der Film lief erfolgreich im türkischen Fernsehen. Eine
deutsche Version unter dem Titel „Das Ende einer Einsamkeit“ erschien
nur mit Untertiteln auf Videokassette. Für eine Übersetzung fehlte
damals schlicht das Geld.
Zwei weitere Drehbücher hatte er zudem geschrieben. Seine Kenntnisse der deutschen und türkischen Sprache und sein Interesse am kulturellen Austausch reizten ihn 1985 als vereidigter
Übersetzer zu arbeiten. Seit dem Jahr 2000 arbeitet er zudem
ehrenamtlich als vereidigter Dolmetscher vor Gericht und als Helfer beim
Ämtergang – auch auf französisch. Vielseitig ist der Weltenbummler
Aydogdu. Er sang in einem klassisch-türkischen Orchester in Pforzheim,
er war Vorstandsmitglied bei Ata Spor Offenburg, dem türkischen
Fußballverein, und er war der erste Vorstand des Vereins Hürtürk. „Das
waren schöne Zeiten, aber sie sind vergangen“, sagt der charismatische
Türke, der seit 1998 deutscher Staatsbürger ist.
Seinen Wunsch zu studieren, verwirklichte er mit 51 Jahren. Er holte das Abitur nach
und besuchte die Fernuniversität Anadolu in den Fächern Verwaltung und
Organisation. Kurz vor dem Ausstieg aus dem Arbeitsleben legte er noch
die IHK-Ausbilder-Prüfung ab und erreichte 92 von 100 möglichen Punkten
im praktischen Teil.
Einen Traum habe er noch: „Ich habe ein Drehbuch geschrieben. ,Der Wein aus Kappadokien‘ ist eine Geschichte irgendwo zwischen Deutschland und der Türkei.“ Im Zentrum des Plots
stehe ein deutscher Wissenschaftler und eine Schönheit aus Kappadokien.
Die nur rudimentär erforschte Geschichte der Hethiter, die auch in
seiner Heimatstadt Sorgun ihre Spuren hinterlassen haben, will er damit
ebenso den Zuschauern nahebringen wie die lange Historie des
kappadokischen Weines. Als Vater von zwei Kindern und Großvater von zwei
Enkeln wird es Mesut Aydogdu aber auch in der Familie nicht langweilig.
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