Wenn sich alles nur noch um den kranken Bruder dreht
Freiburg. Louis ist ein ganz normaler Junge. Gemeinsam mit seinen Eltern und seinem großen Bruder Aaron lebt er in Breisach. Wie so viele andere trifft sich auch Louis in
seiner Freizeit mit seinen Kumpels, spielt gerne Fußball oder mit dem
Handy. Trotzdem gibt es einen Unterschied. Auch wenn man es ihm
äußerlich nicht ansieht, hat der Zehnjährige bereits einen gewaltigen
Schicksalsschlag hinter sich.
Alles begann vor genau drei Jahren. Leukämie lautete die Diagnose, die Aaron im November 2012 von seinem Arzt erhielt. Von einem auf den anderen Tag änderte sich damit
alles für die gesamte Familie. Die Krankheit drang in das Leben,
bestimmte den Tagesablauf und lies kaum Luft zum Atmen. Der Junge kam in
die Kinderklinik nach Freiburg. „Heute geht es Aaron wieder relativ
gut. Er ist aus der akuten Therapie heraus und in der ambulanten
Nachsorge“, erzählt sein Vater Jürgen Dufner. Während sich für die
Eltern die Welt in dieser Zeit zu großen Teilen um Aaron und dessen
Krankheit drehte, blieb weniger Zeit für Louis. „Er ist damals zu kurz
gekommen“, sagt seine Mutter Sandra Dufner.
Geschwisterkinder sind Schattenkinder. Man hat einfach nicht die Zeit, sich intensiv mit
ihnen zu beschäftigen.“ Eine große Hilfe fanden sie im Elternhaus des
Fördervereins für krebskranke Kinder e.V. Freiburg. Finanziert durch
Spendengelder ist es ein Ort der Ruhe für die Familien betroffener
Kinder. „Wir wurden hier toll aufgefangen“, erzählt der Vater und meint
damit auch Louis. In der Spielstube des Elternhauses werden die gesunden
Geschwister Betroffener von ausgebildeten Fachkräften betreut, während
die Eltern bei ihrem kranken Kind auf der Station sind. Drei
Mitarbeiterinnen und ein Bundesfreiwilligendienstler kümmern sich.
Das Innere der Spielstube ist einladend. Kuscheltiere, Spiele und Bücher
gibt es hier, die Wände sind hell gestrichen und Fenster säumen den
Raum. „Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, ist das hier kein
Kindergarten“, erzählt die Sozialpädagogin Anneka Haigis. „Wir nutzen
das Spiel als Kontaktmittel, um mit den Kindern ins Gespräch zu kommen
und eine Beziehung aufzubauen. Bei allem was wir tun, schwingen auch
immer die Themen Krankheit, Sterben und Tod mit.“ Neben dem gemeinsamen
Spiel wird in der Spielstube viel geredet. „Das ist allerdings kein
Muss. Man kann auch für sich alleine sein. Wir möchten die Kinder
bestmöglich unterstützen“, sagt die Sozialpädagogin. Wenn sie am Morgen
zur Arbeit kommt, weiß sie nie, wie viele Kinder sie den Tag über
betreuen wird. „Zwischen einem und 20 ist alles möglich“, erzählt sie.
Durchschnittlich sind es 300 Kinder, die pro Jahr in die
Geschwisterspielstube kommen. „Es tut ihnen gut, miteinander in Kontakt
zu kommen“, berichtet Haigis. „Hier weiß jeder sofort, wie es dem
anderen geht, da sie alle das gleiche Schicksal teilen.“
Auch Louis hat die Zeit in der Spielstube genossen. „Wenn ich dort war, habe
ich nicht allzu sehr an Aaron gedacht“, erzählt er. Besonders in
Erinnerung geblieben ist ihm das Bodenseecamp. In den Sommerferien 2013
haben die Betreuer kurzerhand eine Geschwisterfreizeit auf die Beine
gestellt. Ein Trip an den Bodensee mit gemeinsamen Segeltouren,
Stockbrotgrillen und der Ablenkung von einem Alltag, der in dieser Zeit
von der Krankheit des Bruders geprägt war.
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