Vor über 20 Jahren endete die Zeit der französischen Besatzung

Gebäude 003 erhielt einen kunstvollen Anbau und ist heute Standort der Stadtbibliothek. Die Reithalle links hat sich zu einem beliebten Standort entwickelt. Überhaupt ist rund um das Ihlenfeldareal ein Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung entstanden. | Foto: Foto: rek
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  • Gebäude 003 erhielt einen kunstvollen Anbau und ist heute Standort der Stadtbibliothek. Die Reithalle links hat sich zu einem beliebten Standort entwickelt. Überhaupt ist rund um das Ihlenfeldareal ein Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung entstanden.
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Achern/Renchen/Offenburg. Es ist schon über 20 Jahre her, dass die französischen Streitkräfte aus
Achern und Renchen abgezogen sind. Fast 50 Jahre lang prägten sie das
Bild der beiden Städte, aber auch das Leben dort. Zwar hatten die
Franzosen ihre eigenen Kinos und Supermärkte, doch längst war der Feind
zum Freund geworden. Wer heute genau hinsieht, stößt noch an vielen
Orten auf ihre Spuren.

Die offensichtlichsten Überbleibsel sind die ehemaligen Kasernengebäude. In der Teichmatt in Renchen war ein
sogenannter Nachschubbataillon stationiert und versorgte die Garnisonen
im Umkreis von Offenburg bis Baden-Baden mit Treibstoff. „Rund 15 Hektar
Konversionsfläche wurden nach dem Abzug 1994 einer zivilen Nutzung, in
erster Linie einer privatgewerblichen, zugeführt“, berichtet
Hauptamtsleiter Stefan Gutenkunst. Durch die Ansiedlung vieler
Unternehmen auf den ehemals militärisch genutzten Flächen entstanden
neue und attraktive Arbeitsplätze am Standort Renchen. Zwei
Kasernengebäude in der Teichmatt wurden abgerissen. In den verbleibenden
Teilen sind heute unter anderem das Haus der Jugend und Vereine, ein
Fitnessstudio sowie eine Einrichtung für Senioren untergebracht. In der
stadtgeschichtlichen Ausstellung, die in der Hauptstraße 77 zum
900-jährigen Stadtjubiläum in diesem Jahr eingerichtet wurde, ist auch
die französische Besatzungszeit dargestellt.

In Achern tat man sich lange Jahre recht schwer mit der Konversion, als die französischen
Streitkräfte 1994 die Illenau in einem teils desolaten Zustand
verließen. Mittlerweile ist die ehemalige Heilanstalt zu neuem Leben
erblüht und unter anderem neue Heimat der Stadtverwaltung geworden. Im
Gegensatz zur Nachbarstadt Renchen sind hier noch weitaus mehr Spuren
der ehemaligen Besatzer zu finden. So gibt es beispielsweise noch heute
in der Illenau die „Maison de France“, die vom Illenau Theater genutzt
wird und zu Zeiten der Franzosen ein Magazin, eine Boutique und ein
Restaurant beherbergte. Ein Großteil der Häuser entlang der Martinstraße
waren von französischen Familien bewohnt.

Teilweise tragen diese Häuser noch immer die früheren, französischen Bezeichnungen. Auch
das „Foyer Central“ ist in Achern heute noch ein Begriff: Im vorletzten
Gebäudekomplex auf der rechten Seite der Hornisgrindestraße in Richtung
Sasbachwalden war die Militärverwaltung für Süddeutschland
untergebracht. Auf dem Bereich der Illenauwiesen zeugen jetzt noch die
Blechhallen davon, dass hier die Fahrzeuge der in der Illenau
stationierten Luftwaffeneinheit untergebracht waren. Ebenso wurden die
nach den Blechhallen entlang der Illenauer Straße in Richtung Oberachern
vorhandenen Gebäude von den Franzosen genutzt. Außerdem wurde die
dortige Reithalle vom französischen Militär gebaut. Das gesamte Gelände
liegt derzeit brach. Auch mitten in der Innenstadt ist ein Zeuge der
Zeit zu finden: Neben dem Haupteingang des Rathauses Am Markt ist eine
Gedenktafel zum Abzug der Franzosen angebracht.

Offenburg war erst eine deutsche, später französische Garnisonsstadt. Dieses Kapitel
endete mit dem Abzug der französischen Streitkräfte vor über 20 Jahren.
Mit dem Ende der Konversion der ehemals militärisch genutzten Flächen
und Gebäude wurde 2007 ein Meilenstein für Offenburgs Stadtentwicklung
abgeschlossen. Mit der Auflösung der französischen Garnison verlassen in
den Jahren 1991 bis 1993 rund 4000 Soldaten mit  ihren Familien die
Stadt. Vor allem die neuen Nutzungen der verschiedenen Gebäude erinnern
an die 45 Jahre der Stationierung der Streitkräfte.

„Erinnerungskultur entwickelt sich erst durch zeitlichen Abstand“, ordnet Offenburgs
Musems- und Archiv-Leiter Dr. Wolfgang Gall ein. Rund um das Kulturforum
gibt es einen Weg mit der historischen Einordnung des Geländes und die
Geschichte der Kaserne, aber weitere Zeugnisse der Erinnerung der als
Besatzungsmacht gekommenen französischen Militärs gibt es kaum. „Das
wird sich mit den Jahren ändern“, ist sich Gall sicher und fände eine
Aufarbeitung noch für zu früh.

Die Städtische Galerie, Musik-, Kunst- und Volkshochschule sowie die Stadtbibliothek erhielten auf dem
Ihlenfeldareal neue Räumlichkeiten, das heutige Polizeipräsidium sowie
die beiden Schulen Anne-Frank-Grundschule und Erich-Kästner-Realschule
und diverse Ämter und Institutionen zogen auf La Horie. Weit mehr als
300.000 Quadratmeter ehemals militärisch genutzter Flächen wurden durch
viele private und öffentliche Nutzer und Investoren   gestaltet. Über
500 Wohnungen wurden vom Bund erworben und saniert, mehrere hundert
Wohnungen und Einfamilienhäuser wurden neu errichtet. Wichtige
Dienstleistungsunternehmen haben sich angesiedelt. Kindergärten,
Schulen, Pflegeheime, ein Stadtteil- und Familienzentrum sowie Einkaufs-
und Dienstleistungszentren sind wohnortnah entstanden. Im Holderstock
wurde ein Gewerbegebiet geschaffen sowie die Unterkünfte für
Asylbewerber eingerichtet.

Die Zeit der französischen Soldaten sei aber im Archiv ein Thema: Fotos, Broschüren, Geschenke und Urkunden
würden dort gesammelt und katalogisiert. „Wir sorgen dafür, dass
nachfolgende Generationen die Zeit zwischen 1945 und 1992 einordnen
können“, rechnet Gall mit späteren Veröffentlichungen.

Autor: ds/rek

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