Vor Ausrastern oder Diffamierungen ist aber keiner gefeit
Gewalt gegen Lehrer ist in der Ortenau die Ausnahme
Ortenau. Jeder vierte Lehrer ist schon einmal Opfer von psychischer Gewalt von Schülern oder Eltern gewesen – das ist das Ergebnis einer Forsa-Studie, die der Lehrerverband
Bildung und Erziehung (VBE) in dieser Woche vorgestellt hat. Und jeder
sechste Pädagoge hat schon einmal physische Gewalt erlebt.
„Einige meiner Kollegen sagen, dass Gewalt gegen Lehrer kein Thema sei“, stellt
Horst Kosmalla, örtlicher Personalrat für Grund-, Haupt-, Werkreal-,
Real-, Gemeinschafts- und Sonderschulen beim Staatlichen Schulamt
Offenburg, fest. „Es gibt aber immer wieder punktuelle Vorkommnisse.“ So
erlebten Kollegen, die an Grund- oder Förderschulen unterrichteten,
immer mal wieder, dass Kinder, die sich in die Enge getrieben fühlten,
um sich schlügen. Aber auch Fälle psychischer Gewalt wie Diffamierungen –
gerne in den sozialen Netzwerken – kämen manchmal vor. „Die Haltung der
Eltern gegenüber den Lehrern hat sich verändert, sie sind
anspruchsvoller geworden“, so Kosmalla. „Es gibt einen Fall, wo ein
Vater und seine Tochter einen Lehrer massiv verunglimpft haben.“ In so
einem Fall helfe nur, bei der Schulleitung Unterstützung zu holen oder
sich an den Personalrat zu wenden: „Manchmal ist es wichtig, wenn der
Blick von außen kommt.“ Auch die schulpsychologische Beratungsstelle
beim Staatlichen Schulamt sei ein wichtiger Anlaufpunkt in solchen
Momenten – nicht nur für betroffenen Lehrer.
Edgar Gleiß, Schulleiter im Ruhestand und Gemeinderat in Achern, erinnert sich an
zwei massive Fälle während seiner Laufbahn. „Das war aber bereits in den
90er Jahren“, so Gleiß. Einmal habe ein Schüler der sechsten Klasse auf
den Lehrer eingeschlagen. Der Rektor wurde deshalb in die Klasse
gerufen. Ein anderes Mal hatte ein Drittklässler mit Stühlen um sich
geworfen. In beiden Fällen handelte die Schule konsequent: Es gab
Gespräche mit den Schülern, deren Eltern und einer Sachbearbeiterin der
Kommunalen Sozialen Dienste. Am Ende mussten beide Kinder die Schule verlassen.
Die Frage, ob sich die Gewaltbereitschaft im Laufe der Jahre erhöht habe, beantwortet Gleiß differenziert: „Bezogen auf
körperliche Gewalt kann dies eher in Bezug auf Ausraster in
Grundschulalter bejaht werden. Was sich auf jeden Fall verstärkt hat,
ist die psychische Gewalt gegenüber Lehrern.“
„Natürlich knirscht es manchmal“, so Wolfgang Panzer, Leiter der Wilhelm- und Hebelschule
in Kehl, aber Gewalt gegen Lehrer durch Schüler kenne er an seiner
Schule nicht. Die Lehrer-Schüler-Beziehung müsse in einem Prozess
erarbeitet werden. „Wenn die Schüler die Ernsthaftigkeit erkennen, dass
der Lehrer für das Lernen da ist, dann passiert nichts“, ist Panzers
Erfahrung. Dazu gehöre auch, die Schüler wertschätzend zu behandeln und
die Eltern mit ins Boot zu holen. „Es gibt schon mal
Auseinandersetzungen, aber dann wird offen mit allen Beteiligten
gesprochen“, betont Panzer.
Manfred Keller, Leiter des Schiller-Gymnasiums in Offenburg, sagt: „Ich habe die Berichte gelesen
und war etwas verwundert. Von körperlicher Gewalt von Schülern gegen
Lehrern ist mir an unserer Schule in den vergangenen Jahren nichts
bekannt geworden. Fälle von psychischer Gewalt mag es in Einzelfällen
geben, aber dies geschieht dann so subtil, dass es von den Betroffenen
nicht offen ausgesprochen wird.“
Autor: gro/ds/rek
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