Freude und Enttäuschung: machtlos gegen Bundestrend
Ortenau. Das Ergebnis steht fest und die Politik rätselt. Kanzlerin Angela Merkel gilt als die große
Siegerin mit dem Zuwachs an Stimmen für die CDU. Kurzfristig stand am
Wahlabend selbst eine absolute Mehrheit im Raum. Was bleibt: Die
Ungewissheit über die Zusammensetzung der nächsten Bundesregierung. Weil
die FDP erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik nicht im Bundestag
vertreten ist, sind die Spielräume für CDU und CSU eng im zukünftigen
vier Fraktionen-Bundestag.
Die Linke scheidet nach beider Selbstverständnis aus. Bleiben die Grünen oder eine erneute große
Koalition mit der SPD. Schon meldet sich Bayerns mächtige Stimme:
Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer lehnt Schwarz-Grün ab. Und
die SPD ziert sich aufgrund ihrer Erfahrungen mit der vorherigen
Regierungsbeteiligung unter Merkel, durch die sie 2009 vom Wähler
abgestraft wurde. Wie sind die Positionen und Reaktionen der Ortenauer
Kandidaten? Eine Zusammenstellung aus drei Wahlkreisen.
Keinen Aufreger gab es im Wahlkreis Schwarzwald-Baar. Der von der CDU-Basis
nicht mehr nominierte Siegfried Kauder sammelte gerade mal 3579 Stimmen
und erreichte lediglich drei Prozent. Der Sturm auf der Baar verkam
damit zu einem im Wasserglas. Thorsten Frei holte für die CDU erneut das
Direktmandat, schloss sich dem Bundestrend an und erzielte ein deutlich
besseres Ergebnis als Kauder vor vier Jahren. „Jetzt möchte ich den
Menschen im Kinzigtal das Vertrauen zurückzahlen“, so Frei. Kein Wunder,
in den fünf Ortenaugemeinden, die zum Wahlkreis 286 gehören, holte er
bei der Erststimme jeweils über 50 Prozent.
„Das sensationelle Ergebnis der Union ist eine Bestätigung unseres beherzten Wahlkampfs und
der zielgerichteten Politik der Bundesregierung unter Führung von
Angela Merkel“, zieht Wolfgang Schäuble (CDU) ein Fazit. „Insbesondere
freut es mich, dass wir in Baden-Württemberg mit 47 Prozent der
Zweitstimmen und dem Gewinn aller Direktmandate so gut abgeschnitten
haben. Die CDU hat in Baden-Württemberg wieder gut Tritt gefasst. Das
sehr schöne Ergebnis in meinem Wahlkreis bewegt mich und erfüllt mich
mit Dankbarkeit. Das ist ein großer persönlicher Vertrauensbeweis und
nach einer so langen Zeit keine Selbstverständlichkeit.“ Wie geht es
weiter? „Wir werden mit allen demokratischen Parteien sprechen,
allerdings mit der Linkspartei nicht viel Zeit verbringen“, setzt
Schäuble die Präferenzen. „Bei den anderen beiden müssen wir sehen, mit
welcher wir die meisten gemeinsamen Nenner finden, um eine stabile und
erfolgreiche Regierung aufzustellen.“
„Ich bin von meinem persönlichen Ergebnis enttäuscht und von dem meiner Partei“, äußert sich
Elvira Drobinski-Weiß gestern. Positiv für sie: „Aber ich bin wieder im
Bundestag und kann weiterarbeiten.“ Bei deutlichen Vorbehalte für eine
große Koalition: „Ich habe keine Lust wieder abgemeiert zu werden, die
Arbeit zu machen, und es nicht gesehen wird, wer der Motor ist von
politischen Neuerungen.“
„Wir haben dies uns selbst zuzuschreiben und können ernsthaft niemand anderen dafür verantwortlich
machen“, analysiert Johannes Huber, FDP-Kreisvorsitzender. Mit zwei
jungen Kandidaten in Emmendingen-Lahr – „obwohl wir mit Christian Satta
im Wahlkampf zuletzt Schwierigkeiten hatten und einem engagierten Jan
Sachs in Offenburg“ – habe die FDP in beiden Fällen über fünf Prozent
gelegen. Gegen den Bundestrend sei die Ortenauer FDP aber machtlos.
„Ja, kann ich. Denn Deutschland muss regierungsfähig bleiben“, reagiert
Ludwig Kornmeier auf die Frage, ob er sich Schwarz-Grün vorstellen
könne. Hierzu müsse sich die CDU in bestimmten Positionen aber deutlich
bewegen: „So billig wie mit der SPD vor acht Jahren und der FDP vor vier
Jahren ist eine Regierungsbeteiligung mit uns Grünen nicht zu haben.“
„Ich habe von 38 Wahlkreisen das sechstbeste Erststimmenergebnis aller
SPD-Kandidaten in Baden-Württemberg erzielt, worüber ich mich sehr
freue“, strahlt der neue Bundestagsabgeordnete Johannes Fechner (SPD).
Der aus Emmendingen stammende Rechtsanwalt ist allerdings skeptisch
aufgrund der unterschiedlichen Positionen von CDU und SPD für eine große Koalition.
„Wir stünden für eine Koalition bereit, sehen aber, dass das nicht mehr geht“, so Gotthilf Lorch (Linke): „Das Problem liegt
aber nicht bei uns, sondern bei den Grünen und der SPD“, so Lorch.
Wo punkteten Direktbewerber?
Ausgerechnet in seiner neuen Heimatgemeinde Offenburg erreichte Wolfgang Schäuble
(CDU) mit 49,7 Prozent das schlechteste Ergebnis an Erststimmen.
Herausragende Ergebnisse erhielt Schäuble in Seebach (74,5) und
Sasbachwalden (69,2). Der Grünen-Kreisrat Ludwig Kornmeier konnte
dagegen sein „Heimspiel“ gewinnen. Mit 18,3 Prozent der Stimmen in
Appenweier landete er dort klar auf Platz zwei. Die „Hochburg“ für
Elvira Drobinski-Weiß (SPD) liegt im Hanauerland. Mit einem Anteil von
25,8 Prozent in Kehl und 25,4 Prozent in Rheinau schnitt sie dort am
besten ab.
„Newcomer“ Jan Sachs konnte mit 3,1 Prozent in Neuried und 2,9 Prozent in Sasbachwalden überdurchschnittlich punkten.
Für die Linke erreichte Lars Stern in Ohlsbach (6 Prozent), Willstätt
(5,5) und Kehl (5,4 Prozent) seine besten Ergebnisse. Wiederum in Kehl
und Rheinau erreichte der Kandidat für die Piraten, Norbert Hense, mit
knapp über zwei Prozent seine Spitzenwerte.
Helmut Schneider schaffte für die AfD mit 5,2 Prozent in Schutterwald sein bestes
Ergebnis. Justus Wingert blieb für die Freien Wähler in allen Gemeinden
unter der Marke von einem Prozent. Dann war da noch Werner-Christian
Wöhrle als Direktbewerber für die NPD: 2,3 Prozent in Oberharmersbach
ist hier der oberste Wert.
Wahlnachlese
Die Bundestagswahl in Zahlen: Bei einer Wahlbeteiligung von 71,5 Prozent
haben CDU/CSU 42,5 (255 Abgeordnete), SPD 25,7 Prozent (192
Abgeordnete), Linke 8,6 Prozent (64 Abgeordnete) und Grüne 8,4 Prozent
(63 Abgeordnete) an Zweistimmen erreicht, die FDP scheiterte mit 4,8
Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.
Für die Ortenau lautet das Ergebnis: CDU 48,3 Prozent, SPD 19,2 Prozent, Grüne 10,7 Prozent, FDP
5,7 Prozent, AfD 5,4 Prozent und Linke 4,7 Prozent. Für den Wahlkreis
Offenburg nach Berlin gehen Wolfgang Schäuble (CDU) und Elvira
Drobinski-Weiß (SPD); für Emmendingen-Lahr Peter Weiß (CDU) und Johannes
Fechner (SPD) sowie Thorsten Frei (CDU) für Schwarzwald-Baar.
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