Fußnote, die Glosse im Guller
Krabbensalat kontra Käse
Selbst wenn es mancher nicht glaubt: Übermorgen schlägt keineswegs nur für Theresa May die Stunde der Wahrheit, sondern für die ganze britische Nation. Für uns Rest-EU-ler ist es ebenfalls nicht ganz bedeutungslos, was das Unterhaus in London in Sachen Brexit beschließen wird.
Tatsächlich glaubt kaum jemand daran, dass die britische Regierungschefin am Dienstag eine Mehrheit für ihr EU-Austrittsabkommen finden wird. Weil ihr die bereits vor Weihnachten fehlte, hatte die Premierministerin die Abstimmung ja auf den 15. Januar verschoben.
Cleverer Schachzug
Das war an sich ein cleverer Schachzug. Ich an ihrer Stelle hätte den Aufschub dazu genutzt, allen Parlamentariern zu Weihnachten einen Korb mit Leckereien aus EU-Ländern zu schenken. Christstollen aus Dresden, Olivenöl aus der Toskana, prickelnde Alkoholika aus der Champagne und viele andere Dinge, die selbst die Zungen britischer Brexit-Befürworter am Kontinent schätzen. Liebe geht schließlich durch den Magen und ein Schwarzwälder Kirschwasser nach einem guten Essen hat schon so manchen Kompromiss besiegelt. Ich kenne da einen Edelbrenner, den hätte man sicher als Sponsor für geistreiche Nachverhandlungen gewinnen können. Bei Boris Johnson wäre das vermutlich aber trotzdem verlorene Liebesmühe gewesen.
Keine Gewalt
Genau, das ist der Typ, der nach gewonnenem Brexit-Volksentscheid vor Schreck über (auch) seinen Sieg abtauchte und keine Verantwortungen übernehmen wollte. Nachdem Letzteres May getan hat, riskiert er aber wieder eine dicke Lippe. So soll er getönt haben, dass die Briten sicher gerne Krabbencocktail essen, wenn es in Folge des Brexits keine Zwiebeln oder Käse mehr geben soll. Dem sollte mal jemand mit einem Schwarzwälder Schinken einen Scheitel ziehen. Nein, natürlich meine ich das nicht wirklich und das ist auch kein Aufruf zur Gewalt an großmäuligen Politikern, die sich gerne als verbale Brandstifter betätigen. Ernsthaft: Ich verurteile Gewalt, egal gegen wen.
Brexit
Mit den Waffen der Demokratie darf dagegen gekämpft werden, beispielsweise mit Mehrheitsbeschlüssen. Ein solcher verpflichtet May nun, innerhalb von drei Tagen einen Plan B vorzulegen, wenn ihr Abkommen im Unterhaus abgelehnt wird. Fies ist das trotzdem. Das kann doch nur auf einen ungeordneten Brexit rauslaufen. An alle Boris Johnsons, die jetzt schadenfroh grinsen: Das hätte für alle Konsequenzen. Und da geht es keineswegs nur um Käse.
Anne-Marie Glaser
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