Fachkräfteeinwanderung
Kompetenz ist wichtiger als Abschluss
Lahr (st) Das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist politisch beschlossen, nun geht es an die Umsetzung der neuen Regelungen. Die Wirtschaft am südlichen Oberrhein begrüßt das neue Gesetz ausdrücklich, befürchtet aber, dass die Bürokratie einmal mehr zum Hemmschuh bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte wird. Darum ging es am Montagnachmittag bei einem Gespräch von Unternehmens- und IHK-Vertretern mit der Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese, und dem Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis Emmendingen-Lahr, Dr. Johannes Fechner, bei der IHK Südlicher Oberrhein in Lahr. Beklagt wurden vor allem lange behördliche Verfahren und eine bisher fehlende Willkommenskultur in Deutschland.
„Wir haben die Hürden für die Arbeitszuwanderung deutlich gesenkt, insbesondere was die Anerkennung der Abschlüsse angeht“, sagte Johannes Fechner. Die Arbeit mit dem Gesetz gehe jetzt erst so richtig los. Fechner präsentierte zum Anfang des Gedankenaustauschs auch gleich ein „Horrorbeispiel“, das durch die neuen Vorschriften in Zukunft der Vergangenheit angehören soll. „Im Kinzigtal wurde eine beliebte Altenpflegerin aus den Balkanstaaten in ihrer Schicht verhaftet und mit der gesamten Familie abgeschoben. Menschlich und ökonomisch ein völliger Blödsinn.“ Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz eröffne nun die Möglichkeit, dass ausreisepflichtige Menschen mit Job trotzdem den Aufenthalt in Deutschland beantragen könnten.
Bürokratie
„Wir wollen mit klugen Menschen, die hier in Deutschland arbeiten möchten, so nicht umgehen“, positionierte sich auch Staatssekretärin Griese. „Ich will niemandem zu nahetreten, aber die Ausländerbehörden in Deutschland sind auf Abschottung gepolt, sie müssen jetzt komplett umschwenken auf Willkommenskultur. Das ist ein Paradigmenwechsel.“ Trotz aller Schwierigkeiten zeigte sich Griese optimistisch: „Wir haben verstanden, dass der aktuelle Zustand nicht gut ist und das neue Gesetz gemacht, damit es besser wird.“ Menschen, deren Asylantrag nur eine geringe Chance auf Erfolg habe, könnten über den sogenannten Spurwechsel den Weg zur klassischen Fachkräfteeinwanderung gehen. Auch für Unqualifizierte sei das Arbeiten in Deutschland unter bestimmten Bedingungen für acht Monate möglich.
Olaf Drubba, Geschäftsführer des Familienunternehmens Drubba in Titisee, befürchtet allerdings, dass am Ende die deutsche Bürokratie die guten Absichten des neuen Gesetzes ausbremst. Zum Beispiel bei Visaangelegenheiten. „Wenn ein Sachbearbeiter aus Freiburg bereits seit drei Monaten auf eine Akte aus Hamburg wartet, damit ein Visum verlängert werden kann, kommen wir an einen Punkt, an dem uns die Zeit davonläuft. Ich kann den Mitarbeiter dann rechtlich nicht mehr weiterbeschäftigen.“ Um den ausländischen Fachkräften Sicherheit zu geben, bräuchten auch die Unternehmen Sicherheit und Tempo bei den Antragsverfahren.
Europa-Park mit Erfahrung
Einen großen Erfahrungsschatz beim Rekrutieren von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten hat der Europa-Park in Rust. Das Unternehmen sucht weltweit aktiv nach Menschen, um den Park und die zahlreichen Hotel- und Gastronomiebetriebe am Laufen zu halten. Das ist mit hohem Aufwand verbunden: Kooperationen mit Sprachschulen oder das Einschalten von vertrauenswürdigen Vermittlern vor Ort. „Wir prüfen, ob die Menschen fair behandelt werden, übernehmen die kompletten Kosten für das Visumverfahren und den Transfer, stellen kostengünstigen Wohnraum zur Verfügung, zahlen Tariflöhne, tun also alles Menschenmögliche, was man tun kann“, sagte Frederik Mack, der Direktor Human Resources beim Europa-Park. Doch dann schlage die deutsche Bürokratie mit ihren langwierigen Verfahren zu. „Da frustriert es sowohl unsere Recruiting-Mitarbeiter als auch die Bewerber sehr, wenn ab dem Zeitpunkt unserer Zusage zwölf Monate plus x vergehen, bis der Beschäftigte endlich bei uns anfangen kann.“
Speziell verantwortlich für den Bereich der internationalen Rekrutierung beim Europa-Park ist Kevin Stojmenov. Er kann zahlreiche Fälle nennen, bei denen es in der deutschen Bürokratie knirscht. „Jede Ausnahme, die es im Fachkräfteeinwanderungsgesetz gibt, taucht mindestens einmal bei uns auf.“ Unterschiedlich lange Bearbeitungszeiten von Anträgen, zu knappe Fristen oder die unterschiedliche Auslegung gleichgelagerter Fälle beispielsweise. „Keiner weiß, warum.“ Stojmenov sieht vor allem ein Problem beim Nachweis und der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen, die ein potenzieller Mitarbeiter im Heimatland erworben hat. „Manche Menschen, die beispielsweise im Ausland im Hotel oder in der Küche tätig waren, haben keine Nachweise darüber. Sie können im Zweifel noch nicht einmal einen Arbeitsvertrag vorlegen, weil sie überhaupt keinen bekommen haben.“ Stojmenov treibt nun die Sorge um, dass auch das reformierte Gesetz in der Anwendung solchen Realitäten keine Rechnung trägt.
„Wer außer dem Europa-Park, der bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte hochprofessionell arbeitet, kann sich so viel Aufwand leisten? Der einzelne Gastwirt, der nur zwei Mitarbeiter benötigt, sicher nicht“, stellte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Salomon in den Raum. Doch selbst wenn ausländische Beschäftigte bereits hierzulande in Lohn und Brot stehen, und es nur um die Verlängerung der Arbeitserlaubnis geht, seien die Verfahren träge, wie Andreas Volkert, Geschäftsführer der Badischen Stahlwerke in Kehl, zu berichten weiß. „Besser geht es doch gar nicht mehr: Ein Ingenieur aus Brasilien mit Berufserfahrung, der perfekt Deutsch spricht und bereits seit einem Jahr bei uns arbeitet, wartet seit vier Monaten auf den Bescheid. Das sind doch Papiere, die man einfach so durchwinken kann. Wenn es da schon hapert, geht bei komplizierteren Fällen eigentlich gar nichts mehr.“
Viele Schritte
Der Prozess der Rekrutierung beinhalte viele Schritte: Visum, Anerkennung der Berufsabschlüsse, Arbeitserlaubnis, Wohnung, Weiterqualifizierung, eventuell Studium. Volkert: „Wenn in dieser langen Kette das schwächste Glied reißt, ist es vorbei. Es fehlt an der Gesamtanalyse des Themas Einwanderung.“ Das beinhalte auch den Spracherwerb. „Die sprachliche Hürde ist riesig. Wenn ich aus dem Ausland komme und hier einen deutschen Berufsschulabschluss machen möchte, werde ich an vielen Prüfungen verzweifeln“, sagte Volkert. „Selbst französische Auszubildende, die bereits Grundlagen in der deutschen Sprache vorweisen konnten und noch einmal 850 Stunden Deutschunterricht von uns bekommen haben, hatten große Schwierigkeiten, die Texte zu bearbeiten“, sagte Volkert. „Wir müssen von unserem hohen Ross runter. Wir müssen Menschen aus dem Ausland eine Perspektive bieten. Wenn sie bei uns nur als Hilfskraft arbeiten, in Kanada aber direkt studieren können, sind wir unattraktiv für Einwanderer.“
Das Thema Sprachniveau ist auch für Oskar Dold, Geschäftsführer des Buchenbacher Logistikers Dold, ein großes Thema. Zum einen bei der Abnahme von Prüfungen zum Berufskraftfahrer, zum anderen bei der Bewältigung des Arbeitsalltags. „In unserer Branche ist die Sprache Englisch. Der Fahrer muss seine Zahlen kennen, scannen und mit dem Stapler auf den Lkw fahren können. Selbst das Navigationssystem kann auf alle möglichen Sprachen eingestellt werden, genauso wie der PC. Dass Deutsch hier Pflicht sein soll, geht vollkommen an der Realität vorbei.“
Grundsätzlich sieht die IHK das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz positiv. „Es ist viel Gutes passiert“, sagte Simon Kaiser, Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung der IHK Südlicher Oberrhein. „Es geht nun aber vor allem darum, wie das Gesetz gelebt wird.“ Kaiser warnte davor, bei der Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland stets das deutsche Ausbildungssystem als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen könne sich nicht an diesem „Goldstandard“ orientieren. „Wir müssen lernen, mehr auf die Kompetenzen der Menschen zu schauen, weniger auf Abschlüsse.“
Sowohl Kerstin Griese als auch Johannes Fechner versicherten, die kritischen Punkte der Unternehmer mit ins politische Berlin zu nehmen, ermutigten sie aber auch, sich mit bestimmten Verbesserungsvorschlägen direkt an die Regierung zu wenden. „Wir brauchen diese Rückkopplung aus der Praxis“, sagte Griese. Fechner: „Das Gespräch mit Ihnen ist ein Realitätscheck für unsere Arbeit. Schreiben Sie mir, und schildern ihre problematischen Fälle.“
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