„Entsündige mich, dann werde ich rein“
Grün, feinblättrig und leicht bitter im Geschmack: Die Rede ist von Ysop. Bereits in der Bibel wurde dem
Heilkraut eine reinigende Wirkung zugeschrieben. „Entsündige mich mit
Ysop, dann werde ich rein“, steht in Psalm 51,9 geschrieben. Dass das
Kraut dennoch eine Sünde Wert ist, zeigte Marc Needell, Juniorchef im
Restaurant „Hirsch“ in Kehl-Kork. Für das Küchen ABC hat sich der Koch
etwas Besonderes einfallen lassen: in Ysop gebeiztes Kalbssteak unter
einer Kruste mit Pfifferlingen und Kartoffelpüree an Madeirasoße.
Als Needell die Steaks anbrät, haben sie bereits ein zwölfstündiges
Kräuterbad hinter sich. „Beizen sagt man dazu“, erklärt er. „Dafür wurde
das Fleisch über Nacht in eine Marinade aus Wasser, Salz und
getrocknetem Ysop gelegt, eine Art Ysop-Tee. So gelangen die Aromastoffe
in das Fleisch.“ Aus dem kalten Bad geht es für die Kalbssteaks nun in
die heiße Pfanne. Nur Bruchteile einer Sekunde nachdem das Fleisch den
Pfannenboden berührt hat, entzündet sich eine Stichflamme. „Nicht
erschrecken, das ist normal. Wenn die Restflüssigkeit der Beize auf das
heiße Fett trifft, entzündet es sich“, erklärt der Koch, während er die
Flamme löscht.
Wenn man das frische Ysopkraut pur probiert, erinnert es zunächst an Thymian. Kein Wunder, denn Ysop ist ein naher
verwandter der Pflanze. Der würzige Geschmack wandelt sich allerdings
schnell ins Bittere. Nicht umsonst besagt ein russisches Sprichwort:
„Guter Ysop muss bitter sein.“ Der Grund: Die Bitterstoffe sollen
verdauungsfördernd wirken. Ein Vorteil, gerade in der russischen Küche,
die für ihre fettreichen Speisen bekannt ist.
In Kork wird das Fleisch bereits von beiden Seiten leicht angebraten. Nun bekommt es noch
eine Kruste aus Ysop, Lindenberger sowie Parmesan und wird zum
Überbacken in den Ofen gestellt. Um den Aromastoffen der Kruste etwas
mehr Pfiff zu verleihen, hat der Koch das Kraut kleingehackt und in
Zucker leicht karamellisiert. Auch wenn die Kombination aus Käse und
Karamell im ersten Moment seltsam klingt, sie harmoniert hervorragend.
Passend zur Jahreszeit serviert Needell Pfifferlinge zum Fleisch. Die gelben
Pilze haben gerade Hochsaison, besonders frische Exemplare erkennt man
an ihrer schönen Farbe und einer prallen, saftigen Konsistenz. Um sie
von Erdresten zu befreien, verwenden viele nur ein Tuch. „Pilze bestehen
zu über 95 Prozent aus Flüssigkeit, damit sie nicht verwässern, sollte
man sie nicht allzu lange unter fließendem Wasser waschen und erst am
Ende des Bratens salzen“, erklärt der Koch, während er die Pilze auf
einen Teller gibt. „Wenn sie allerdings stark verschmutzt sind, kann man
sie vorsichtig mit etwas lauwarmem Wasser säubern.“
Nachdem die Teller angerichtet sind, geht es ans Probieren: Zuerst kommt die
knackige Kruste, dann das zarte, saftige Fleisch. In Verbindung mit den
Pilzen und einer kräftigen Madeirasoße ist wirklich jeder Bissen eine
Sünde wert. Frisches Ysop gibt es übrigens beim Kräuterhändler, den Tee
in vielen Apotheken.
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